Spulenfiepen ist ein leidiges Thema für vieler Gamer und Grafikenthusiasten. Da gibt man viel Geld für eine pfeilschnelle Grafikkarte aus und dann fiept, surrt und summt es aus dem System. Wir haben daher die gängigsten Maßnahmen gegen Spulenfiepen der Grafikkarte untersucht, getestet und zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Spulenfiepen und woher es kommt es?
Spulenfiepen (eng. Coil-Whine) tritt bei zahlreichen elektronischen Komponenten auf. Mal hörbar, mal unhörbar, mal massiv störend und ist nicht auf GPUs beschränkt. Dort ist das Thema lediglich besonders populär und auffällig. Während ein fiependes Smartphone-Netzteil allenfalls kurz stört, ruiniert eine quietschende Grafikkarte die Gaming-Sessions.
Spulenfiepen kommt, ganz vereinfacht gesagt, zustande, wenn die verbauten Spulen aufgrund der sie durchfließenden Ströme anfangen zu vibrieren. Je nach Frequenz ist das eben als Fiepen, Surren, Schnarren oder ähnliche fiese Geräusche zu hören. Die Lautstärke reicht von einem unterschwelligen Ton bis hin zur penetranten Belästigung, die im ganzen Raum wahrnehmbar ist.
Das Phänomen ist zwar nicht neu, aber bedingt durch immer leisere Systeme fällt es stark auf. Die Zeiten von brüllenden Lüfterföns auf der Grafikkarte sind größtenteils vorbei und Tower-Kühler kühlen die CPUs nahezu lautlos – von Wasserkühlungen ganz zu schweigen. Zudem sind auch die Anforderungen an die elektronischen Komponenten bei modernen GPUs immens. Stichwort: Hohe Ströme und schnelle Schalt-/Lastwechsel. Besondere Aufmerksamkeit hatte das Thema zum Release der GTX 970 bekommen und ist auch bei aktuelleren GPUs wie der GeForce RTX 3080 und RTX 3090, sowie Radeon RX 6000 unverändert von Bedeutung.
Die Krux bei der Sache ist, dass man vor dem Kauf kaum absehen kann, wie sich die Spulen auf der Wunsch-GPU verhalten werden. Sogar innerhalb eines Modells gibt es Schwankungen, da die Spulen einer gewissen Toleranz unterliegen und auch die restlichen Komponenten im System eine Rolle spielen. Erfahrungsberichte aus den großen Foren können zwar eine grobe Orientierung geben, doch sicher ist man erst, wenn die Grafikkarte im eigenen System steckt.
Was also machen, wenn man einen Schreihals daheim hat? Dazu gibt es mehrere Maßnahmen und Tipps was gegen Spulenfiepen hilft.
Ist Spulenfiepen schädlich oder normal
Spulenfiepen hört sich in einigen Fällen ziemlich dramatisch und ungesund an. Spulenfiepen ist jedoch nicht schädlich, sondern normal. Im gewissen Ausmaß wird man immer eine fiepende Komponenten im PC finden.
Daher greift bei Spulenfiepen nahezu nie die Garantie. Nur in extremen Fällen und einem kulanten Händler/Hersteller kann man hier auf Nachbesserung hoffen. Es handelt sich nicht um einen Defekt und damit nicht um einen Garantiefall.
Spulenfiepen beheben
Die jeweiligen Angaben zum Spulenfiepen sind stark subjektiv. Sämtliche Lüfter wurden deaktiviert um einen vergleichbaren Eindruck zu haben.
Anderes Netzteil testen
Neben den Spulen an sich tragen verschiedene Faktoren zu dem Thema bei. Eine wichtige Komponente kann das Netzteil sein. Ein hochwertiges und ausreichend dimensioniertes Netzteil kann das Surren leicht, manchmal sogar deutlich abschwächen.
Wir konnten diesen Effekt auf einer GTX 1070 und einer RX580 nachstellen. Die fiepende GTX 1060 zeigte durch den Tausch des Netzteils jedoch keine Besserung.
Gainward GTX 1070 Phönix GS | Sapphire RX580 | EVGA GTX 1060 | |
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be quiet! Straight Power E9 500W | leise hörbar bis hörbar | hörbar | störend |
be quiet Dark Power 11 650W | sehr leise hörbar | leise hörbar | störend |
Corsair SF450 | leise hörbar | störend | störend |
Seasonic X-650 KM3 | leise hörbar | hörbar | störend |
Xilence 430W | hörbar | störend | störend |
Gerade wenn jedoch ein Netzteil der Einsteiger- oder Mittelklasse genutzt wird, kann es sinnvoll sein es mit einem hochwertigen NT zu probieren. Optimal natürlich, wenn man es sich bei einem Bekannten leihen kann, bevor man unnötig etwas bestellt. Wir können euch das be quiet! Dark Power Pro 11 oder das günstigere be quiet! Straight Power 11 ans Herz legen.
Undervolting gegen Spulenfiepen
Das Reduzieren der Spannung als Quasi-Gegenteil zu Overclocking kann eine Wunderwaffe gegen Spulengeräusche sein. Logisch, werden die Spulen weniger belastet, haben sie weniger Grund sich zu beschweren. Nebenbei gibt es einen geringeren Verbrauch, leisere Lüfter und niedrigere Temperaturen.
Konkrete Werte sparen wir uns an dieser Stelle, dies ist von Karte zu Karte unterschiedlich. Man sieht jedoch, dass Karten bei leichtem Undervolting (z.B. -50mV) bereits leiser werden. Die 5700 XT zeigte sich zickiger, hier musste über 100mV nachgesteuert werden, damit der Effekt eintrat.
Gainward GTX 1070 Phönix GS | MSI Radeon RX 5700 XT | Sapphire RX580 | EVGA GTX 1060 | |
---|---|---|---|---|
Standard | leise hörbar | störend | hörbar | störend |
leichtes UV | leise hörbar | störend | hörbar | hörbar |
moderates UV | unhörbar | leise hörbar | leise hörbar | leise hörbar |
starkes UV | unhörbar | unhörbar | leise hörbar | leise hörbar bis unhörbar |
Das Problem ist, dass Undervolting etwas aufwändiger und komplexer ist und kann zu Abstürzen führen – es geschieht daher immer auf eigene Gefahr. Es gibt nicht DEN einen Wert. Man muss sich schrittweise an eine stabile Spannung herantasten. Also einstellen, testen, einstellen usw. Hier spielt auch Glück in der Chip-Lotterie eine Rolle. Zudem gilt es die Balance zwischen Lüftergeräusch und Spulenfiepen zu finden. Wenn die Temperatur so weit fällt, dass sich das Fiepen über den Lüfter erhebt, hat man nichts gewonnen – außer man lässt die Lüfter bewusst schneller drehen.
Für Undervolting gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die beliebteste ist wohl der MSI-Afterburner (STRG+F), oder Wattman direkt von AMD für entsprechende GPUs. Auch die Software der Grafikkarten-Hersteller ermöglichen teilweise Undervolting.
FPS limitieren und stabilisieren
Gamer streben nach Frames, desto mehr desto besser. Leider sorgen gerade hohe FPS Zahlen nicht selten für ein wahres Gekreische. Gerade bei alten Spielen macht sich dies besonders fiepend bemerkbar.
Die Spulen werden häufiger angesteuert, die Grafikkarte zieht mehr Saft aus der Dose, um die Frames zu rendern. Zwar haben GPUs durchaus auch bei wenigen FPS bereits Spulengeräusche, doch bei über ~100 fps wird es im Allgemeinen lauter.
Gainward GTX 1070 Phönix GS | MSI Radeon RX 5700 XT | Sapphire RX580 | EVGA GTX 1060 | |
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60 fps | unhörbar | leise hörbar | leise hörbar | deutlich hörbar |
120 fps | leise hörbar | hörbar bis störend | hörbar | störend |
240 fps | hörbar | störend | störend | störend |
So tut es Ohren (und Stromrechnung) gut die FPS auf die Bildwiederholrate des Bildschirms zu reduzieren. Glück für die, die auf einen 60 Hz Bildschirm setzen. Aber auch für die 120/144 Hz Gamer kann es Vorteile bringen. Schwankende FPS führen nicht selten zu einem schwankenden Geräusch, das präsenter wirkt als ein Konstantes. Im Falle unserer 1060 kann man den FPS-Verlauf anhand des Geräusches verfolgen, eine akustische Achterbahn.
Um die FPS zu limitieren bietet sich die VSync-Option (vorzugsweise adaptiv) oder ein FPS-Limiter an, falls man sich mit VSync nicht anfreunden kann. AMD Nutzer haben es hier dank der Treiber-Option einfacher, bei NVidia muss man sich mit Tools behelfen. Auch dazu bietet z.B. der Afterburner über RTSS eine Option. Ähnlich wie beim Undervolting kann die Leistungsaufnahme reduziert werden, wenn nur so viele Frames wie nötig berechnet werden. Der Tipp stößt jedoch an seine Grenzen, wenn die GPU schon unter der Framegrenze an ihr Limit kommt, oder bereits bei 60 fps und weniger deutlich Spulenfiepen zeigt.
Silent-Gehäuse und Dämmung
Kann man die Quelle der Geräusche nicht ausmerzen, muss man sie abschirmen. Daher ist dieser Tipp auch bei Spulenfiepen anderer PC-Hardware anwendbar. Etwa wenn das Mainboard, oder das Netzteil Spulenfiepen haben.
Auch wenn Airflow-Gehäuse derzeit populär und Silent-Gehäuse als Sauna verschrien sind, bei elektronischen oder mechanischen Geräuschen sind offene Airflow-Gehäuse chancenlos und Silentgehäuse offenbaren ihre Stärken.
Ein geschlossener Deckel und/oder eine verschlossene Front können viel von dem direkten Schall abschwächen. Was sich wie bemerkbar macht, hängt von der Aufstellung (auf oder unter dem Schreibtisch) ab, aber auch von der Art der Geräusche. Hohe Geräusche lassen sich durch dickes Dämmmaterial gut filtern. Das Fractal Design Define 7 zeigte sich hier wie folgt:
Gainward GTX 1070 Phönix GS | EVGA GTX 1060 | |
---|---|---|
Deckel + Front offen | leise hörbar | störend |
Deckel offen Front geschlossen | leise(r) hörbar | störend |
Deckel + Front geschlossen | unhörbar | hörbar |
Im Ausgleich müssen, um auf den gleichen Temperaturen zu bleiben, die Lüfter etwas schneller laufen. Deren Geräusch ist im Allgemeinen jedoch erträglicher als das nervtötende Fiepen und Surren. Alternativ nimmt man ein paar Grad mehr in Kauf.
PC-Gehäuse dämmen
Mit aus der Mode gekommenen Dämmmatten* (bei amazon) oder dickerem Akustik-Schaumstoff* (bei amazon) an Deckel, Front und Seite können hohe Frequenzen und Vibrationen der Spulen zusätzlich reduziert werden. In Zeiten von Glasseiten nicht unbedingt praktikabel.
Gänzlich ruhig bekommt man laute Karten damit zwar nicht, aber es wird deutlich angenehmer. Im Fall der GTX 1060 konnte man wieder ohne Headset spielen.
Burn-In gegen Spulenfiepen – nur ein Mythos?
Es gibt zahlreiche Berichte, dass ein sog. Burn-In das Spulenfiepen bessern oder gar beheben soll. Dabei wird die Grafikkarte über Stunden massiv belastet z.B. mit Furmark oder einem anderen Benchmark in Dauerschleife.
Wir können dies NICHT bestätigen. Zwar wird das Fiepen im Laufe des „Burn-In“ (Gewöhnung?) weniger, doch der Effekt ist nicht von Dauer. Das ist auch recht einfach zu erklären: Aufgeheizte Spulen fiepen tendenziell weniger als kühle Spulen. Kurze Zeit nach der Burn-In-Belastung ist das Geräusch wieder wie gewohnt und man hat lediglich dem Stromanbieter geholfen.
Wir können zwar nicht ausschließen, dass es Erfolge damit geben kann. Insgesamt halten wir diesen Tipp aber nicht für erfolgsversprechend.
Reklamation bzw. Widerruf
Da Spulenfiepen in der Natur der Sache liegt und kein Defekt ist, ist es im Allgemeinen kein Grund zur Reklamation. Je nach Händler oder Hersteller kann zu lautes Spulenfiepen zwar reklamiert werden, da ist man jedoch auch auf Kulanz angewiesen.
Da Spulengeräusche mit der Zeit eher schlimmer als besser werden, sollte man sich direkt nach dem Kauf überlegen, ob es nicht ratsamer ist die Karte innerhalb der Widerrufsfrist zurückzusenden. Das macht jedoch nur Sinn, wenn die Karte wirklich störend laut ist, denn das nächste Exemplar könnte schlimmer, besser oder identisch sein. Das zahllose Bestellen und Cherry-Picking ist zudem nicht im Sinne des FAG, daher sollte man dies als letzte Maßnahme sehen.
Spulenfiepen vom Mainboard
Auch das Mainboards kann in Verbindung mit der CPU im Bereich der Spannungswandler für Spulenfiepen sorgen. So ist es auch bei dem von uns getesteten ASUS ROG Strix Z590-E der Fall.
Hier können ebenfalls Experimente mit der CPU Spannung helfen. Eine unschöne, aber effektive Lösung kann es auch sein die Stromsparmechanismen der CPU zu deaktivieren. Dazu im BIOS/UEFI die Optionen C1E oder EIST deaktivieren. Der Verbrauch im Leerlauf steigt dadurch jedoch an.
Fazit
Spulenfiepen ist und bleibt eine lästige Sache mit der man Leben muss – mehr oder weniger! Denn auch wenn es sich kaum ganz vermeiden lässt, ist man nicht gänzlich machtlos und kann es zumindest eindämmen. Mit Kombination der vorgestellten Maßnahmen ist es möglich eine Grafikkarte und restliche Hardware so weit zu bändigen, dass man sie entspannt nutzen kann – ohne unfreiwillige Tinnitus-Simulation. Vielversprechend ist es, das Problem an der Wurzel zu greifen und die Spulen mittels Undervolting und FPS-Limitierung zu entlasten!
Ob und welche Tipps gegen Spulenfiepen helfen, hängt vom Einzelfall ab, aber der Versuch lohnt sich.
Ergebnisse und weitere Tipps und Tricks gegen Spulenfiepen neben wir gerne in unserem Forum entgegen!